EMS bei Pferden: Wenn aus Athleten Couch-Potatoes werden

Ein dicker, fester Mähnenkamm, kleine „Rettungsringe" über den Augen und ein Bauch, der eher an einen prall gefüllten Futtersack erinnert als an einen athletischen Pferderumpf – willkommen im Zeitalter der Pferde-Wohlstandskrankheiten! Was früher ausschließlich aus der Humanmedizin bekannt war, hat längst auch unsere Ställe erreicht: Diabetes, Übergewicht und Stoffwechselstörungen machen sich breit, und das Equine Metabolische Syndrom (EMS) ist ihr prominentester Vertreter.

Hinter den augenscheinlich harmlosen Fettpolstern und dem gemächlichen Gang verbirgt sich weit mehr als nur ein „gut im Futter stehendes" Pferd. EMS ist ein vielschichtiger Symptomkomplex, der den gesamten Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht bringt und unbehandelt zu lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen wie der gefürchteten Hufrehe führen kann.

Definition: Was ist EMS überhaupt?

EMS ist kein Einzelkämpfer, sondern vielmehr ein ganzer Symptomkomplex, der den Stoffwechsel deines Pferdes ordentlich durcheinanderbringt. Stell es dir wie einen schlecht gelaunten Nachbarn vor: Er macht nicht nur selbst Probleme, sondern bringt auch noch seine ganze Familie mit – in diesem Fall Insulinresistenz, Übergewicht und im schlimmsten Fall die gefürchtete Hufrehe. Was man aber nicht vergessen darf: Jedes dieser unerwünschten Familienmitglieder kann auch unabhängig von EMS auftreten.

Die Geschichte von EMS ist von bitterer Ironie geprägt. Jahrhundertelang kämpften Pferde in kargen Steppen ums Überleben, legten täglich kilometerweite Strecken zurück und suchten mühsam nach jedem Grashalm. Ihr Stoffwechsel entwickelte dadurch einen perfekten Energiesparmodus – ein evolutionärer Überlebensmechanismus, der in Zeiten des Mangels Gold wert war. 

Doch heute, wo üppige Weiden locken und energiereiches Futter im Überfluss vorhanden ist, nehmen Pferde oft mehr Kalorien auf, als sie verbrauchen. Der Körper reagiert darauf, als würde er sich auf eine jahrelange Hungerszeit vorbereiten und hortet fleißig – besonders gerne am Mähnenkamm, über den Augen, an Nacken, Schultern und Kruppe. Das Dumme daran: Die Hungersnot kommt nie, aber die Fettpolster bleiben.

Gut zu wissen!

Nicht alle Pferde sind gleich anfällig für EMS. Besonders häufig trifft es die „Effizienz-Champions" wie Isländer, Shetlandponys oder andere nordische Rassen. Diese kleinen Kraftpakete sind genetisch darauf programmiert, mit wenig Futter auszukommen – schließlich mussten sie in ihren kargen Heimatländern jeden Grashalm dreimal umdrehen, bevor sie ihn fanden.

Symptome: Die Warnsignale von EMS

EMS schleicht sich langsam an. Die ersten Anzeichen werden oft übersehen oder als „Na ja, mein Pferd ist halt gut im Futter" abgetan. Dabei sendet dein Pferd durchaus deutliche Signale:

Die offensichtlichen Zeichen:

  • Charakteristische Fettpolster (besonders am Mähnenkamm und auf der Kruppe)
  • Dein Pferd sieht aus, als hätte es sich einen Schwimmreifen umgeschnallt
  • Die Bewegungen werden steifer, als würde es in einem unsichtbaren Korsett stecken

Die subtilen Warnsignale:

  • Schnelles Schwitzen (gefühlt schon beim Anblick der Longe)
  • Vermehrter Durst und häufiges Wasserlassen (Wenn IR dabei ist)
  • Das Fell wird stumpf und glanzlos
  • Leistungsabfall (es wird zum „Energiesparmodus-Profi")
  • Muskelabbau trotz ausreichender Fütterung
  • Kotwasser tritt häufiger auf
  • Bei Stuten können Fruchtbarkeitsstörungen auftreten

Normalerweise funktioniert das System wie ein perfekt eingespieltes Tanzpaar: Steigt der Blutzucker, tanzt das Insulin sofort herbei und eskortiert die Glucose höflich in die Zellen. Bei EMS-Pferden ist das eher wie bei manchen Tanzpaaren nach 20 Jahren Ehe: Sie hören einander nicht mehr zu, treten sich auf die Füße, und am Ende landet die Glucose frustriert im Fettgewebe. Die Zellen werden insulinresistent, der Blutzucker bleibt hoch, und der Körper produziert immer mehr Insulin – ein Teufelskreis entsteht.

Gut zu wissen!

Die Diagnose von EMS erfolgt hauptsächlich über zwei Wege: die Sichtdiagnose anhand der charakteristischen Fettpolster und Symptome sowie über Bluttests, bei denen vor allem die Insulin- und Glucosewerte untersucht werden.

Behandlung und Prävention: Zurück zu den Wurzeln

Die gute Nachricht: EMS ist behandelbar! Die schlechte: Es erfordert Disziplin – von dir UND deinem Pferd. 

Die Grundregel lautet: “Qualität statt Quantität”:

  • Raufutter als Basis (70-90% der täglichen Ration)
  • Kraftfutter nur bei echtem Bedarf 
  • natürliches “Mineralfutter zur Nährstoffabsicherung
  • Zucker- und stärkereduzierte Kost (da kann schon die tägliche Karotte zum Problem werden! Ebenso die 3-4 „Schmeckis", bei denen viele Pferdebesitzer gar nicht wissen, dass versteckter Zucker drin steckt.)

Wichtig zu wissen!

Der Zuckergehalt ist entscheidend! Selbst das beste Diätprogramm scheitert, wenn das Heu 16% Zucker enthält. Empfehlenswert sind 4-6% Zuckergehalt, mindestens aber unter 10%. Eine Heuanalyse ist daher Gold wert!

Zusätzlich kannst du dein Pferd mit Kräuter naturnah unterstützen. Denn Mutter Natur hält einige Helfer für den Stoffwechsel bereit:

  • Bockshornklee: Unterstützt den Glukosestoffwechsel
  • Zimt: Kann die Insulinsensitivität verbessern
  • Brennnessel: Entgiftend und stoffwechselaktivierend
  • Löwenzahn: Unterstützt Leber und Nieren
  • Mariendistel: Schützt die Leber und entgiftet
  • Ingwer: Regt den Stoffwechsel an und wirkt entzündungshemmend

Außerdem ist Bewegung das A und O – aber bitte mit Verstand! Ein übergewichtiges EMS-Pferd ist nämlich wie eine untrainierte Couchpotatoe: Zu viel und zu schnell schadet mehr, als es nützt. Starte am besten mit kurzen Spaziergängen und steigere das Training dann langsam und abwechslungsreich. Das Herz-Kreislauf-System und der Bewegungsapparat müssen sich erst wieder an die Arbeit gewöhnen. Zusätzlich ist die regelmäßige Gewichtskontrolle entscheidend – nur wer früh erkennt, kann früh handeln. Beobachte deinen Vierbeiner aufmerksam und scheue dich nicht, bei den ersten Anzeichen von Gewichtszunahme oder Trägheit gegenzusteuern.

Zudem spielt auch die Haltungsform eine entscheidende Rolle. Offenstall- oder Aktivstallhaltung sind optimal, da sie automatisch mehr Bewegung in den Alltag integrieren. Die Pferde müssen dabei nämlich zu den verschiedenen Funktionsbereichen wandern – vom Fressplatz zum Wasser, vom Unterstand zur Heuraufe. Mein persönlicher Favorit ist ein Trail, bei dem die einzelnen Bereiche durch Wege miteinander verbunden sind. Diese Haltungsform ist geradezu Spitzenklasse, da sie die natürlichen Wanderbewegungen der Steppentiere nachahmt und für kontinuierliche, moderate Bewegung sorgt. Mehr über artgerechte Haltungsformen erfährst du in meinem anderen Artikel.

Wichtig zu wissen!

Frisches Gras ist wie Süßigkeiten für Pferde – lecker, aber in großen Mengen problematisch. Besonders im Frühjahr und Herbst ist Vorsicht geboten. Außerdem solltest du unbedingt den Fruktanwert im Auge behalten. Dieser lässt sich ganz einfach für deine Region im Internet checken und hilft dir dabei, die Weidezeiten optimal anzupassen.

Fazit: Mit Köpfchen gegen die Couch-Potato-Falle

EMS mag nach einem komplexen medizinischen Problem klingen, aber im Grunde geht es um etwas sehr Einfaches: die Balance zwischen Energieaufnahme und -verbrauch. Dein Pferd braucht dich als klugen Manager, der verhindert, dass aus dem edlen Steppentier ein gemütlicher Sofa-Bewohner wird. 

Deshalb möchte ich dir noch einen mega special Tipp an die Hand geben, der viel bewirken kann: 20-30 Minuten Trab pro Tag

Warum? Das hält die Zellen insulinsensibel. Trabende Muskeln sind nämlich wahre Zuckerfresser – sie verbrauchen Glucose und verbessern gleichzeitig die Aufnahme von Insulin in den Zellen. Das ist wie ein täglicher Reset für den Stoffwechsel. Aber sei unbedingt ehrlich dabei. Am besten stoppst du mal die Zeit, wie viel ihr wirklich trabt. Die meisten Reiter überschätzen das nämlich gewaltig – oft sind es keine fünf Minuten statt der erhofften dreißig! 

 

Wichtiger Hinweis: Bei Verdacht auf EMS solltest du immer einen Tierarzt konsultieren. Eine fundierte Diagnose und individuell abgestimmte Therapie sind unerlässlich für den Behandlungserfolg.

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