Artgerechte Pferdehaltung - Box oder max. Freiheit im Vergleich

Wer sein Pferd artgerecht unterbringen möchte, steht vor einer wichtigen Entscheidung. Die Art und Weise, wie wir Pferde halten, hat sich über Jahrhunderte verändert. Während Pferde früher vor allem Arbeitstiere waren, steht heute ihr Wohlbefinden an erster Stelle. 

Eine Haltungsmethode, die noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen Betrieben üblich war, ist die sogenannte Ständerhaltung. Hierbei wurden Pferde in schmalen Buchten fixiert. Angebunden, meist ohne freien Zugang zu Wasser oder Futter und mit stark eingeschränkter Bewegungsmöglichkeit. Das Liegen war oft nicht möglich, Sozialkontakt ebenfalls nicht. Die Ständerhaltung war platzsparend und “einfach” - aber aus heutiger Sicht alles andere als artgerecht.

Glücklicherweise hat das wachsende Verständnis für die Bedürfnisse von Pferden zur Entwicklung deutlich artgerechterer Haltungssysteme geführt. Denn eines haben wir heute begriffen: Pferde sind von Natur aus Bewegungstiere! Sie sind genetisch darauf programmiert, ständig in Bewegung zu sein. Kein Wunder also, dass Haltungsformen, die diese Grundbedürfnisse ignorieren, zu körperlichen und psychischen Problemen führen.

In diesem Artikel stelle ich dir die vier gängigsten Haltungsformen vor, denn als langjährige Pferdefreundin habe ich alle drei Systeme kennengelernt – mit ihren Sonnen- und Schattenseiten.

Boxenhaltung - und was eine Paddockbox ist

Boxenhaltung ist die traditionellste Form der Pferdehaltung. Jedes Pferd steht einzeln und die Boxenfläche muss mindestens der Formel (2 x Widerristhöhe)² entsprechen. Das Pferd hat Sichtkontakt zu seinen Nachbarpferden und kann sie hören und riechen. Ein direkter Körperkontakt besteht meistens allerdings nicht. Diese Haltungsform wird häufig in Reitställen, Turnierbetrieben oder Kliniken eingesetzt.

Die Paddockbox ist eine Erweiterung dieser Haltung: An die Box ist ein kleiner Außenauslauf (Paddock) angeschlossen, den das Pferd selbstständig betreten kann. Dadurch bekommt es mehr Licht, Luft und Bewegung. Auch ein näherer Kontakt mit anderen Pferden ist möglich.

Die kontrollierte Fütterung und Gesundheitsüberwachung zählen zu den wesentlichen Vorteilen der Boxenhaltung. Das Pferd ist gut geschützt vor Witterungseinflüssen und potenziellen Verletzungen durch andere Artgenossen. Besonders die Paddockbox bietet dem Tier mehr Bewegungsfreiheit sowie ausreichend Tageslicht und Frischluft. Man könnte sagen, es ist wie ein Einzimmerapartment mit kleinem Balkon – nicht die Luxusvilla mit Garten, aber immerhin mit Aussicht. Zudem eignet sich diese Haltungsform hervorragend für die temporäre Isolation, beispielsweise bei Krankheit oder Verletzung.

Allerdings bringt die Boxenhaltung auch einige Nachteile mit sich. Der Bewegungsradius bleibt trotz Paddock deutlich eingeschränkt. Die geringen bis nicht vorhandenen direkten Sozialkontakte können zu Verhaltensstörungen,    wie bspw. Weben oder Koppen führen. Auch der tägliche Arbeitsaufwand ist nicht zu unterschätzen – regelmäßiges Ausmisten sowie zusätzliche Bewegung für das Pferd sind unerlässlich. Außerdem müssen die Paddockflächen wetterfest und sicher eingezäunt sein, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.

Gut zu wissen!

Die Boxenhaltung kann eine gute Wahl für Pferde mit speziellen medizinischen Bedürfnissen sein. Solche, die gezielt gefüttert werden müssen, können ebenfalls davon profitieren. Trotzdem sollte die Boxenhaltung meiner Meinung nach maximal eine vorübergehende Unterbringung sein.

Offenstall - natürliche Haltung in der Gruppe?

Beim Offenstall leben die Pferde im Herdenverband mit ständigem Zugang zu einem Unterstand, einem Auslauf und idealerweise einer Weide. Diese Haltungsform ermöglicht dauerhafte soziale Kontakte und freie Bewegung, was mehr dem natürlichen Verhalten der Pferde entspricht.

Ein großer Vorteil des Offenstalls liegt darin, dass die Pferde ihre natürlichen Verhaltensweisen uneingeschränkt ausleben können. Stell dir vor, du müsstest 23 Stunden am Tag in deinem Badezimmer verbringen – nicht gerade das, was Psychologen als förderlich für die mentale Gesundheit bezeichnen würden. 

Die ständige Bewegungsmöglichkeit im Offenstall fördert eine gesunde Muskulatur und trägt zu einer stabilen Psyche bei. In harmonischen Herden lässt sich zudem ein deutlich niedrigerer Stresspegel beobachten als bei isoliert gehaltenen Pferden – weniger Pferdeneurose, mehr entspanntes Herdenleben!

Dennoch gibt es auch beim Offenstall einige Herausforderungen zu beachten. Rangkämpfe und Konflikte können in nicht-harmonischen Gruppen zum Problem werden. Auch eine häufig wechselnde Herdenstruktur ist nicht optimal. Wenn zu oft neue Pferde dazu kommen und Bekannte gehen, bringt das ebenfalls Unruhe in die Herde. Das Management gestaltet sich ebenfalls schwierig bei kranken, alten oder rangniedrigeren Pferden, die besondere Aufmerksamkeit erfordern. Der Untergrund muss gut strukturiert und wetterfest sein, um allen Pferden ausreichend Schutz zu bieten. Besonders wichtig ist eine großzügige Fläche – nicht nur zum Stehen, sondern auch zum Hinlegen. Leider sieht man in der Praxis oft zu viele Pferde auf einer zu kleinen Fläche, was zu Stress und Konflikten führen kann.

Gut zu wissen!

Der Offenstall ist eine prima Wahl für sozialverträgliche Pferde jeden Alters und Typs. Die kontinuierliche Bewegung hält Gelenke geschmeidig und beugt Stoffwechselerkrankungen vor. Wichtig ist jedoch, dass die Herde harmonisch zusammen passt und genügend Platz zur Verfügung steht – ein guter Offenstall ist kein Sparmodell!

Aktivstall - Hightech trifft auf Tierwohl

Der Aktivstall stellt ein modernes Haltungsmodell dar, das computergesteuerte Fütterung mit durchdachten Laufwegen und separaten Funktionsbereichen kombiniert. Die Pferde werden zur Bewegung motiviert, da Futter, Wasser, Ruheplätze und Sozialkontakte an unterschiedlichen Stellen positioniert sind.

Zu den überzeugenden Vorteilen des Aktivstalls zählen die großen Bewegungsanreize, die sowohl gesundheitsfördernd als auch artgerecht sind. Man könnte sagen, es ist das "All-inclusive-Resort" der Pferdewelt – nur dass die Gäste hier tatsächlich zum Buffet laufen müssen, statt sich den ganzen Tag am Pool vollzustopfen! Trotz Gruppenhaltung ermöglicht das System eine individuelle Fütterung, da jedes Pferd über einen Chip identifiziert werden kann. Die Tiere genießen Selbstbestimmung und finden eine ausreichende Beschäftigung durch die Erkundung der verschiedenen Bereiche. Kein Netflix nötig, um die Langeweile zu vertreiben.

Die Nachteile liegen vor allem im technischen und finanziellen Aufwand bei der Einrichtung eines Aktivstalls. Nicht jedes Pferd findet sich sofort in diesem System zurecht. Besonders rangniedrige oder unsichere Tiere können (anfänglich) Schwierigkeiten haben. Zudem bedarf es einer guten Herdenstruktur und eines erfahrenen Managements. Um eine stabile Gruppenharmonie zu gewährleisten, sollten die Pferde nicht zu oft wechseln. 

Ein weiterer Kritikpunkt: Viele Aktivställe sehen ziemlich unnatürlich aus – gepflasterte Flächen, wenig Grün und ein eher steriler, "cleaner" Look dominieren oft das Bild. Während die Funktionalität stimmt, vermissen manche Pferde (und auch deren Besitzer) das natürliche Ambiente mit Gras unter den Hufen und dem Duft von Erde statt Beton.

Gut zu wissen!

Der Aktivstall eignet sich hervorragend für Pferde mit Stoffwechselerkrankungen wie EMS oder Cushing, da die Futteraufnahme präzise gesteuert werden kann. Auch für aktive und neugierige Pferde ist diese Haltungsform ein Paradies. Gleichzeitig profitieren schüchterne oder ältere Pferde vom durchdachten Raumkonzept, da es ihnen Rückzugsmöglichkeiten bietet.

Mein persönlicher Favorit

Eine besonders natürliche Variante ist das Trailsystem – mein persönlicher Favorit! Hier werden die Pferde über verschlungene Pfade mit verschiedenen Untergründen geleitet. Die unterschiedliche Beschaffenheit der Wege massiert nicht nur die Hufsohlen, sondern regt auch die Durchblutung an und sorgt für einen natürlichen Abrieb. Zusätzlich sind Baumstämme im Weg oder kleine Sandhügel, die raufgeklettert werden müssen. Höhen und Tiefen trainieren die gesamte Muskulatur, besonders die wichtige Tiefenmuskulatur. Bei ebenen Untergründen wird diese oft vernachlässigt. Jeder Gang zur Wasserstelle wird dadurch zu einem kleinen Abenteuer. Die verschiedenen Futterstellen sind strategisch so verteilt, dass die Pferde automatisch unterschiedliche Wege nehmen müssen. So wird aus dem simplen Fressen eine entspannte Wanderung durch das eigene Revier.

Fazit: Pferdehaltung so natürlich wie möglich

Es gibt nicht die perfekte Haltungsform, denn jedes Pferd ist ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen und Erfahrungen. Daher rate ich jedem Pferdebesitzer: Beobachte deinen Vierbeiner genau und frage dich ehrlich, ob er in seiner aktuellen Haltungsform glücklich erscheint. Wenn du die Wahl hast, besuche verschiedene Ställe, sprich mit den Betreibern und schau dir an, wie sich die Pferde dort verhalten – sie sind die besten Kritiker ihrer Unterbringung. Und vor allem, stell deine Bedürfnisse hinter die deines Pferdes, ich weiß, nicht immer leicht, aber dein Pferd lebt dort 24 h.

Als Pferdeliebhaberin mit jahrelanger Erfahrung tendiere ich klar zu Offenstall oder Aktivstall – allerdings in möglichst natürlicher Ausführung. Letztendlich geht es darum, dass die Pferde viel freie Bewegung haben und selbst entscheiden dürfen, wann sie aktiv sein möchten. Besonders wichtig sind Bewegungsanreize und eine ausreichend große Fläche. Ein sogenannter „Offenstall“ auf Briefmarkengröße verdient diesen Namen nicht und kann mehr Stress verursachen als eine großzügige Box mit regelmäßigem Auslauf.

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